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Hintergrund

Zur Beschreibung chemischer Verbindungen und Reaktionsmechanismen hat sich in der Chemie eine Vielzahl von abstrakten Formalismen etabliert, die bei Bedarf unterschiedliche Funktionen erfüllen. Chemiker*innen wählen je nach Anwendungszweck und Kontext einen geeigneten Formalismus aus, sind aber auch in der Lage, zwischen verschiedenen Darstellungsweisen zu übersetzen, wenn dies erforderlich ist.

Da die Vermittlung von chemischem Wissen ohne geeignete Formalismen sehr viel schwieriger wäre, lernen Schüler*innen und Studierende von Beginn ihres Chemieunterrichts bzw. -studiums an verschiedene Notationen chemischer Formeln und bauen ihre wissenschaftlichen Kommunikationsfähigkeiten kontinuierlich aus.

So wird die Fähigkeit, chemische Zusammenhänge in der Fachsprache und mit Hilfe chemischer Formeln auszudrücken, im Rahmenlehrplan für die Maturitätsschulen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) als Grundkompetenz hervorgehoben. Dementsprechend ist die Fähigkeit, chemische Formeln als fachsprachliche Kommunikationskompetenz zu verwenden, regelmässig in den kantonalen Lehrplänen für die Maturitätsschulen enthalten.

Dabei ist nicht zu unterschätzen, wie vielseitig und komplex die chemische Formelsprache ist. Die in Abbildung 1 gezeigten Darstellungen beschreiben je nach Bedarf die Zusammensetzung (a), die Struktur der dargestellten Verbindung (b-d) und geben Hinweise auf die räumliche Anordnung (e,f).

Abb. 1. Chemische Formeln von (1R,3R)-1-Brom-3-chlorcyclohexan: a) Summenformel, b) Strukturformel, c) Lewis-Formel mit freien Elektronenpaaren und expliziten Wasserstoffatomen, d) Lewis-Kekulé-Formel mit freien Elektronenpaaren und impliziten Wasserstoffatomen, e) Kekulé-Formel mit impliziten freien Elektronenpaaren, impliziten Wasserstoffatomen und räumlichen Informationen für die Substituenten Br und Cl, f) Skelettformel in Sesselkonfiguration.

Da Moleküle gleicher Zusammensetzung unterschiedliche räumliche Anordnungen haben können, die zu drastisch unterschiedlichen Reaktionen führen können, heben Projektionen wie Fisher-, Natta-, Haworth- oder Newman-Projektionen ausgewählte Aspekte der räumlichen Anordnung hervor (Abb. 2).

Abb. 2. Projektionen von α-D-Glucopyranose: a) stereochemische Ansicht, b) Sesselkonfirmation, c) Haworth-Projektion, d) Fischer-Projektion, e) Newman-Projektion.

Ohne eine grundlegende fachspezifische Lese- und Schreibkompetenz können Studierende weder ein Chemiestudium erfolgreich abschließen, noch einen Beruf mit Bezug zur Chemie ausüben. Vielen Studierenden fällt es schwer, ihr logisches Denkvermögen im Umgang mit abstrakten Darstellungen naturwissenschaftlicher Konzepte einzusetzen, deren Verständnis ein hohes Mass an räumlicher Veranschaulichung erfordert (Abb. 3).

Abb. 3. Dreidimensionale Darstellungen von (1R,3R)-1-Brom-3-chlorcyclohexan.

Während Experten fließend zwischen verschiedenen Darstellungen sowie zwischen makroskopischer, symbolischer und submikroskopischer Ebene übersetzen können, müssen Novizen die dafür erforderlichen mentalen Modelle erst aufbauen. Dies ist ein Prozess, der von außen unterstützt werden muss.

Projektziele

Im Projekt OrChemSTAR wird untersucht, wie Lernende durch eine Augmented-Reality-Anwendung unterstützt werden können, die chemische Verbindungen in verschiedenen Darstellungensweisen direkt im Lernmaterial dreidimensional anzeigt, adaptives Feedback zu chemischen Formeln gibt, die von den Lernenden selbst geschrieben oder gezeichnet wurden, und adaptiv durch individualisierte Lernpfade führt.

Zur Durchführung dieses Forschungsprojekts wird eine AR-App (OrChemSTAR) mit mehreren Funktionen zur Unterstützung der Lernenden entwickelt:

  1. Chemische Formeln in gedruckten oder handgeschriebenen Texten werden nach Aufnahme durch die Kamera erkannt und multiple Repräsentationen der chemischen Verbindungen werden an geeigneten Stellen über den Text gelegt, um das Lesen der Formel zu unterstützen. Für ausgewählte chemische Verbindungen und bekannte Lernschwierigkeiten werden Lernhilfen zur Verfügung gestellt.
  2. Die App soll auch typische Fehler in handgezeichneten chemischen Formeln erkennen. Zu diesem Zweck werden Zeichnungen von Lernenden zu ausgewählten Verbindungen gesammelt. Anhand dieser Zeichnungen wird ein Modul der künstlichen Intelligenz trainiert, handgezeichnete Strukturformeln zu erkennen.
  3. Die App wird über einen Tutormodus verfügen, der die Lernenden beim Erlernen einer Darstellungsmethode und beim Schreiben/Zeichnen von Formeln durch die adaptive Gestaltung individueller Lernpfade unterstützt.

Partizipative Aktionsforschung

Wir möchten Sie herzlich einladen, Teil einer innovativen Initiative zu werden, die darauf abzielt, das Verständnis und die Fähigkeiten unserer Schülerinnen und Schüler im Bereich der Chemie nachhaltig zu verbessern. Im Mittelpunkt unseres Projekts steht die Gründung einer Partizipativen Aktionsforschergruppe, die sich der Erforschung und Überwindung der Schwierigkeiten widmet, die Lernende beim Lesen und Erstellen von Strukturformeln erleben.

Die Partizipative Aktionsforschung ist ein kollaborativer Ansatz, der darauf abzielt, praktische Lösungen für konkrete Probleme zu entwickeln, indem Forschung und Praxis Hand in Hand gehen. Indem Sie sich uns anschließen, werden Sie nicht nur Teil eines Teams, das bestrebt ist, die didaktischen Herausforderungen im Chemieunterricht zu meistern, sondern Sie haben auch die einmalige Gelegenheit, direkt an der Entwicklung einer App mitzuwirken. Diese App soll speziell darauf ausgelegt sein, Schülerinnen und Schülern das Erlernen verschiedener Darstellungsweisen chemischer Strukturen sowie das Zeichnen chemischer Strukturformeln zu erleichtern.

Ihre Expertise als Chemielehrkräfte ist für dieses Projekt von unschätzbarem Wert. Sie kennen die alltäglichen Herausforderungen im Unterricht und verstehen am besten, wo die Lernenden auf Schwierigkeiten stoßen. Durch Ihre Teilnahme an der Partizipativen Aktionsforschergruppe bieten Sie uns nicht nur Einblicke in diese Herausforderungen, sondern tragen auch aktiv dazu bei, innovative und fachdidaktisch fundierte Lernwege zu gestalten, die sowohl im Unterricht als auch darüber hinaus von Relevanz sind.

Gemeinsam können wir eine Lernumgebung schaffen, die es den Schülerinnen und Schülern ermöglicht, chemische Konzepte intuitiv zu verstehen und anzuwenden. Ihre Mitwirkung ermöglicht es uns, eine Brücke zwischen theoretischem Wissen und praktischer Anwendung zu bauen, und stellt sicher, dass die entwickelten Lösungen direkt auf die Bedürfnisse und Herausforderungen im Klassenzimmer zugeschnitten sind.

Wir freuen uns auf Ihre Expertise, Ihr Engagement und Ihre Kreativität in diesem spannenden Vorhaben. Gemeinsam können wir einen signifikanten Unterschied im Lernerfolg unserer Schülerinnen und Schüler machen und sie optimal auf die Herausforderungen in der Welt der Chemie vorbereiten.

Am einfachsten nehmen Sie zunächst an der Online-Befragung teil. Am Ende der Befragung erhalten Sie die Möglichkeit, Ihr Interesse am Beitritt zu Partizipativen Aktionsforschendengruppe anzugeben.

Aufgaben zum Zeichnen von Strukturformeln

Damit wir die von Lernenden gezeichneten Strukturformeln und die darin enthaltenen Fehler sicher erkennen können, müssen wir zunächst ein KI-Modell trainieren. Hierfür benötigen wir viele handgezeichnete Strukturformeln von möglichst vielen Personen – damit nicht nur unsere eigene Handschrift sondern auch die Ihrer Schüler*innen erkannt wird.

Zunächst konzentrieren wir und auf folgende Elemente:

  • Atome: C, H, O, N, S, Fl, Cl, Br, I
  • Bindungen: Einfachbindungen, Doppelbindungen, Dreifachbindungen, Keilstrichschreibweise
  • Freie Elektronen und freie Elektronenpaare
  • Einfachpositive und einfachnegative Ladungen

Hier stellen wir Ihnen sieben zweiseitige Arbeitsblätter bereit, bei denen die Lernenden jeweils zehn Formeln zeichnen sollen:

LevelThemenbearbeitbar (DOCX)direkt druckbar (PDF)
1Einfache VerbindungenStrukturformeln_L1.docxStrukturformeln_L1.pdf
2Alkane, Alkanole, Alkanale, CarbonsäurenStrukturformeln_L2.docxStrukturformeln_L2.pdf
3Alkane, Alkene, AlkineStrukturformeln_L3.docxStrukturformeln_L3.pdf
4Alkanole, Alkanale, Ether, KetoneStrukturformeln_L4.docxStrukturformeln_L4.pdf
5Halogene, HalogenverbindungenStrukturformeln_L5.docxStrukturformeln_L5.pdf
6Stickstoffverbindungen, IonenStrukturformeln_L6.docxStrukturformeln_L6.pdf
7Stereochemie, Hydroxycarbonsäuren, weitere VerbindungenStrukturformeln_L7.docxStrukturformeln_L7.pdf
Alle Arbeitsblätter in einer PDFStrukturformeln_alle.pdf

Sie helfen uns sehr, wenn Sie uns ausgefüllte Aufgabenblätter per Post oder eingescannt per Mail zusenden könnten. Bitte entfernen Sie ggf. eingetragene Namen von Schüler*innen (obere Ecke abschneiden). Am einfachsten ist es, wenn Sie eingescannte Aufgabenblätter unter dem folgenden Link hochladen: https://drive.switch.ch/index.php/s/zRYYSeGQz9B66kw